Mein Bruder Geld

Die Verhandlungen waren nicht einfach. Wir einigten uns schließlich auf einen Tonmitschnitt eines offensichtlich gefolterten Olivers. Ich schrie, was das Zeug hielt. Schließlich wollte ich meinen Vater ‚beeindrucken’, was wohl hier nicht das richtige Wort war. Ich war neugierig, wie Leila auf mein Schreien reagierte. Sie grinste aber nur. Alex verließ dann das Gebäude, um die CD mit der Folterszene zur Post zu bringen.

Danach bestand unsere erste Aufgabe darin, Bernd und Max auszuschalten, damit sie uns nicht in die Quere kamen. Wir wussten, dass sie jeden Abend Bier tranken und sich irgendwelche Sportsendungen ansahen. Leila brachte ihnen das Bier, nachdem sie Schlaftabletten hinein gegeben hatte.
Das Tageslicht blendete mich nicht wirklich, da es an diesem Tag schon recht früh düster war, eher störte mich die Schaumgummimaske, die ich tragen musste, damit mich niemand erkennt. Dann musste ich noch meine Stimme verstellen, aber das machte mir eher Spaß. Leila stellte mich der Gruppe als ausländisches Computergenie vor, das normalerweise der Polizei bei schwierigen Einsätzen gegen die Mafia hilft. Ich nickte immer nur und sagte ‚si’ oder ‚no’, ein wichtiges Wort fiel mir noch ein: ‚Belissima’. Immer, wenn ich es verwendete, blickte sie irritiert und wischte die Wirkung des Wortes mit einer Handbewegung weg, aber schließlich war ich doch ein gefürchteter italienischer Mafiosojäger, der es sich leisten konnte, ein Mädchen so anzusprechen. Sie beugte sich zu mir und flüsterte mir zu: „Hör auf, vergiss deine Hormone!“
„Si, Belissima!“ Mir gefiel es, das Wort zu benutzen und sie konnte es mir nicht verbieten. Glaubte ich jedenfalls. Denn irgendwann nervte sie mich so, dass ich schließlich nur noch ‚Bella’ sagte, was sie mir durchgehen ließ.

Wir teilten uns also in zwei Gruppen auf und zogen los. Wir hatten unsere regulären Handys gegen neue Prepaid-Handys ausgetauscht, natürlich mit Headsets, die Karten hatten wir unter falschen Namen angemeldet. Bruno und ich hatten jeweils ein Notebook, auf dem ein Programm zur Entschlüsselung von Codes gespeichert war. Meine Gruppe sollte in Heisbergs Firmengebäude eindringen, während die andere zu seinem Privathaus fahren sollte. Aber wir hatten auch noch zwei Leute abgestellt, die das Haus von meinen Eltern beobachten sollten.
In gebrochenem Deutsch teilte ich den Beteiligten mit, auf was sie achten sollten: vor allem auf Sicherheitskräfte und auf Überwachungskameras. Dann zogen wir los. Einige auf Skateboards, andere mit Rollern. Salina, Bruno und Markus zu Heisbergs Haus. Leila, Sven und ich zu der Firma. Dirk und Said kümmerten sich um das Haus meiner Eltern. Leider konnten wir es nicht ganz vermeiden, einigen Passanten zu begegnen, die sich jedes Mal erschraken, wenn sie mich mit meiner Maske sahen. Schließlich erreichten wir unser Ziel. Wir versteckten uns und beobachteten das Objekt. Wir wussten bereits, dass zwei Wachmänner die Firma im Abstand von einer halben Stunde umkreisten. Nachdem der erste Wachmann seinen Rundgang beendet hatte, hatten wir also noch eine halbe Stunde Zeit, um hinein zu kommen. Kurz bevor er kam, vibrierte Leilas Handy, sie teilte uns mit, dass die andere Gruppe Heisbergs Haus erreicht hätte. Sie hatten Glück, dort gab es keine Wachleute. Sie sollten trotzdem warten, bis wir losschlagen konnten. In meinem Elternhaus gab es hektische Aktivitäten. Außer Vater und Mutter waren wohl auch die beiden Privatdetektive zugegen. Ich konnte mir vorstellen, dass Mutter Vater anflehte, doch die Polizei einzuschalten. Dann klingelte anscheinend bei meinen Eltern das Telefon und alle im Haus wurden noch nervöser. Wahrscheinlich rief Alex gerade an – Mist, den hatten wir ganz vergessen, hatte er Bernd und Max entdeckt?
Leila erriet mal wieder meine Gedanken und meinte, dass wir uns morgen um Alex kümmern würden. Wir dürften jetzt keine Zeit verlieren. Ich nickte, schließlich hatten wir schon fünf Minuten verloren. In unserer dunklen Kleidung schlichen wir zum Haupteingang, immer um Deckung bemüht. Ich hatte mir natürlich vorher Gedanken um die Außenkameras gemacht, die den Haupteingang filmten, die sahen immer das gleiche Bild, nämlich Fotos vom Eingangsbereich aus der richtigen Perspektive. Die Fotos hatten wir natürlich vorher angebracht. Die einfachen schwarz/weiß Kameras konnten den Unterschied nicht ausmachen. Leila schloss die Tür auf und wir huschten hinein. Jetzt waren wir im Foyer. Die Alarmanlage war vor dem Flur, der zu allen anderen Räumen führte, angebracht. Ich hatte lange gebraucht, um herauszufinden, wie man sie knacken konnte. Meine erste Idee war, einfach den Strom zu kappen, aber das war gar nicht so leicht und ich erfuhr auch, dass selbst dann Alarm ausgelöst würde. Wir klappten also den Schrank der Anlage auf, damit wir an das Datenkabel gelangen konnten. Aber da gab es keine Schrauben und keine Möglichkeiten, den Kasten zu öffnen. Plötzlich stand Sven neben mir und hatte eine Stange in der Hand, die aus einem der Schirmständer stammte. Damit hebelte er den Kasten auf. Jetzt lagen alle möglichen Kabel und Kabelkombinationen vor mir. Ich hatte quasi freie Hand. Das Notebook brauchte nicht lange, um die richtige Kombination zu ermitteln.

Jetzt musste es schnell gehen. Bis zum nächsten Rundgang des Wachmannes mussten wir wieder draußen sein. Wo wurde das Messgerät aufbewahrt? Wir durchsuchten die Räume bis wir auf einen Tresor stießen. Auch das noch! Aber wir hatten Glück, das Gerät befand sich auf einem Arbeitstisch in einer Versuchsanordnung mit mehreren Computern und war nur durch einen Plexiglaskasten gesichert. Wir nahmen es und verschwanden, so schnell es ging. Danach informierten wir den anderen Trupp über unseren Erfolg, d.h. Leila telefonierte mit Salina und die hatte eine Überraschung für uns. Sie hatten in Heisbergs Haus einen Aktenordner entdeckt, der wohl mit dem Gerät zu tun hatte.

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