Die Ärztin

Nachdem der Bruder weg ist, übernimmt Dörte endgültig die Assistenz bei ihrem Vater und begleitet ihn zu weiteren Patientenbesuchen.

Frau Leporin ist damit überhaupt nicht einverstanden und besteht darauf, dass Dörte ihren haushaltlichen Verpflichtungen nachkommt. Sie dürfe auf keinen Fall ihre Vorbereitungen für eine spätere Rolle als Ehefrau vernachlässigen. Dörte verspricht der Mutter, nichts zu versäumen und schuftet doppelt so viel.

Bei einem Patientenbesuch kommt es in Anwesenheit von Dörte zu einem Streit zwischen ihrem Vater und dem konkurrierenden Arzt Dr. Grasshoff, der Leporins moderne Behandlungsmethoden als Kurpfuscherei bezeichnet. Dörte mischt sich ein und Grasshoff droht mit einer Anzeige.

Einige Wochen später reißt Dörte in freudiger Erwartung einen Brief auf, den ihr von Sassnitz geschrieben hat. Es beginnt ein reger schriftlicher Gedankenaustausch zwischen den beiden. Sie ist froh, einen weltoffenen Ansprechpartner zu haben, mit dem sie ihre Besorgnis über den engen Horizont der Gesellschaft erörtern kann. (Allerdings dauert es drei Jahre bis sie sich zum ersten Mal wiedersehen.)

In einem der Briefe fragt von Sassnitz woher ihr Interesse an der Medizin
rührt und Dörte erinnert sich an ihre Kindheit: „Ich muß ungefähr acht Jahre alt gewesen sein …“

Quedlinburg 1723-1725

Die kleine Hand eines achtjährigen Mädchens fährt unter dem Nachthemd über ihren Brustkorb. Sie blickt dabei auf eine anatomische Zeichnung des Oberkörperskeletts. Halblaut zählt Dörte ihre Rippen und blickt bestätigend zur Zeichnung. Sie liest die lateinischen Bezeichnungen. Sie hustet. Hufgeklapper von draußen lässt sie aufspringen, im Licht einer Kerze kehrt sie in ihr Zimmer zurück.

Dr. Leporin öffnet die Tür zu Dörtes Zimmer und beobachtet zufrieden die regelmäßigen Atemzüge seiner Tochter. Er begibt sich in die Küche, in der seine Frau ihm eine Mahlzeit hinstellt. Frau Leporin merkt, dass ihren Mann etwas bedrückt und hakt nach. Leporin zieht ein Flugblatt aus seiner Tasche und legt es auf den Tisch. Seine Konkurrenten hätten ihn öffentlich als Kurpfuscher gebrandmarkt, ihn, der als einziger die neuen Theorien aus Halle praktiziere. Sie nimmt ihn in den Arm, beruhigt ihn und meint, was richtig und gut sei, werde sich schon durchsetzen. Ein Husten erschreckt sie. Die kleine Dörte hat ihnen gelauscht.
Die Mutter bringt Dörte ins Bett, die sichtlich kränkelt.

Dörte schläft unruhig, sieht im Alptraum Skelette und bloßliegende Muskeln. Dem bösen folgt ein sanfter Traum, in dem die Natur und vor allem Pflanzen eine wichtige Rolle spielen.

Sobald Dörte einigermaßen bei Kräften ist, steht sie auf und besorgt sich neue Lektüre aus Vaters Bibliothek, die sie dann mit ins Bett nimmt. Eines Abends schläft sie über einem der Bücher ein, der Vater findet sie so, bemerkt, dass es sich um ein medizinisches Fachbuch handelt. Er bläst kopfschüttelnd die Kerze aus.

Auch während der Hausarbeit hat Dörte ein Buch in der Nähe und lernt.

Christian stolpert beim Konjugieren lateinischer Verben und die jüngere Schwester springt zur Verwunderung von Vater und Sohn ein. Der Vater erklärt sich bereit, auch Dörthe zu unterrichten, die sich voller Stolz dazu setzt.

(Überblendung/Zeitsprung ein Jahr später)

Im Studierzimmer geht Dörthe umher und deklamiert zur Verblüffung des Vaters und des anwesenden jungen Diakons Erxleben fehlerfrei Passagen aus einem lateinischen Buch. Leporin steht auf, blickt auf ihre handschriftlichen Übungen und sagt, auch diese Aufgaben habe sie gelöst, er könne ihr jetzt nicht mehr weiterhelfen, da sie als Mädchen nicht auf die Schule dürfe, werde sie ab jetzt vom Diakon unterrichtet.

Quedlinburg, 1730

Dörte öffnet von Sassnitz‘ Antwortbrief. Darin schildert von Sassnitz eine Begebenheit aus dem Leben des jungen Kronprinzen Friedrich, die ihm erzählt worden sei: „Der Kronprinz war im elften Lebensjahr …

Berliner Schloß, 1723

Im Dunkeln hören wir aus der Ferne eilige Schritte auf einem steinernen Boden. Der Hall lässt auf einen größeren Raum schließen. Eine Stimme ruft mehrfach nach „Ihrer Majestät.“

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