Aber nicht gleich aufessen!

Zwill blickte sich um. Schon im Flur hatte er bemerkt, dass Debras Einrichtungsstil aus einer Mischung von auserlesenen Antik- und Designermöbeln bestand. An den Wänden hingen einige farbenkräftige Formspielereien, nichts Gegen-ständliches. Er entdeckte Liebe zum Detail, aber auch etliche Unordnung in Form von Zeitschriften- und Briefstapeln, herumliegenden halb- oder angelesenen Büchern und Wäschestücke.
„Ich habe keinen Besuch erwartet und deswegen sieht es ziemlich chaotisch aus“, hörte er sie aus dem Badezimmer rufen.
„Bei mir ist es nicht anders.“

Bei den Büchern handelte es sich meist um cineastische Literatur und um einige historische Stoffe. Wieder mal las er sich fest und erschrak fast, als er ein Türenschlagen hörte. Es klang nach der Wohnungstür und kurze Zeit später vernahm er Schritte aus dem Treppenhaus.
„Debra?“, rief er.
„Ja!“
„Bist du noch da?“
„Es dauert nicht mehr lange.“

Er ging zum Fenster und blickte auf die Strasse und sah einen Mann das Haus verlassen, den er jedoch nicht eindeutig erkennen konnte.
Plötzlich hörte er Debra. „Warum entschuldigt man sich eigentlich, wenn man jemand unfrisiert gegenübersteht? Im Schwimmbad macht es einem nichts aus. Wahrscheinlich hat man Angst vor der ungeschminkten Wahrheit. Ohne Styling ist man auf sich selbst zurückgeworfen und verlässt die Rolle, die man zu spielen gewohnt ist.“
„Vor einigen Jahrhunderten verlangten die Gesellschaften noch wesentlich mehr Styling oder Präsentation.“
„Es wird wieder schlimmer, wie ich das hasse!“
„Dabei …“
„Was?“
„Du brauchst dir eigentlich keine Gedanken zu machen.“
Sie lächelte und trat weiter ins Licht und er erkannte erst jetzt, dass sie einen neuen Haarschnitt hatte, der ihr Gesicht ein wenig härter wirken ließ, die Seiten sehr kurz, das Deckhaar fast unverändert. Sie schenkte sich etwas ein und setzte sich ihm gegenüber. „So, jetzt bin ich für dich da!“
„Ein neuer Haarschnitt?“
„Wie findest du ihn?“
„Es betont eine andere Seite von dir.“
„Welche?“
„Du wirkst etwas strenger. Aber es steht dir.“
„Wirklich? Nicht zu hart?“
„Nein, eigentlich nicht.“
„Du bist vorsichtig in deinem Urteil.“
„Ich kenne dich noch nicht sehr gut.“
„Noch nicht?“
„Hat da eigentlich gerade jemand die Wohnung verlassen?“
„Möglich. Ich war im Bad.“
„Das heißt, du wohnst nicht alleine hier?“
„Wird das ein Verhör?“
„Nein, nein, ich wollte nur wissen, ob ich richtig gehört habe.“
„Manchmal geht er, ohne sich zu verabschieden. Vor allem, wenn er vorher geschlafen hat. Dann ist er ziemlich mürrisch.“
Zwill fühlte sich gemustert und in der Zwickmühle. Natürlich wollte er wissen, wer ihr Gast war, aber er wollte es sich auch nicht gleich mit ihr verderben und wechselte das Thema. „Ich wollte mit dir noch einmal über ‚Katzenhund‘ sprechen.“
„Das ist nicht verfilmbar. Wir finden jedoch eine deiner Figuren sehr ausentwickelt, an der hätten wir Interesse.“
„Was heißt das?“
„Na ja, wenn du Leon das ganze Buch verkaufst, können wir es vergessen.“
Zwill ärgerte sich zwar, so schnell auf die Arbeitsebene gewechselt zu haben, andererseits brachte ihm das ein wenig emotionale Entspannung.
„Es war einfach eine spontane Idee, ich kenne mich zu wenig im Filmmetier aus und habe es Leon eigentlich nur deswegen angeboten, um herauszufinden, ob es geht.“
„Gut, dass glaube ich dir. Wie können wir ins Geschäft kommen?“
„Eine Figur gegen eine andere!“
„Wie meinst du das?“
„Du gegen die Figur Hannes Schott!“
„Hmm?“
„In meinem neuen Buch kommt eine Frau vor, für die du das ideale Vorbild bist. Erzähl mir von dir, damit ich ihren Charakter vervollständigen kann und du bekommst Schott dafür.“
„Jetzt verstehe ich.“ Debra stand auf und ging zum Fenster. „Aber der Handel ist nicht gerecht: Schott ist eine Fiktion und ich bin real.“
„Für mich, jedenfalls für meinen Roman, macht das keinen Unterschied.“
„Ich bin also für dich die Vorlage für eine Romanfigur?“
Zwill erhob sich und näherte sich ihr, bis er ihren Duft wahrnahm, Ingredienzien aus Cremes, Seifen und vor allem den ihres eigenen Körpers, ihres Schweißes. Er trat hinter sie und fasste mit beiden Händen um ihre Schultern, sie zuckte leicht zusammen, er ließ die Hände sanft herab gleiten, streichelte ihren Rücken und führte die Hände dann nach vorne auf ihren Bauch. Dann bewegte er sie langsam nach oben bis zum Ansatz ihrer Brüste.

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