„Vielleicht gibt es unter Schwulen viel weniger Schweine als bei den Heteros. Bei ihnen ist der Gemeinschaftssinn viel stärker ausgeprägt.“
„Mag sein. Ich weiß es nicht.“
„Hat Ihnen schon mal jemand eine Frau ausgespannt?“
„Aber ja.“
„Was haben Sie getan?“
„Gekämpft!“
„Wie?“
„Mit Worten.“
„Und?“
„Schließlich bin ich Schriftsteller geworden und habe einen Roman geschrieben.“
„Und die Frau?“
„Mochte keine Schriftsteller und hat sich für den anderen entschieden.“
„Das ist unromantisch.“
„Sie meinen, ich hätte Gedichte schreiben sollen?“
„Vielleicht.“
„Wie kämpfen Sie?“
„Am liebsten würde ich ihm eine knallen.“
„Warum tun Sie es nicht? Wenn Sie die Frau wirklich lieben, ist es schließlich egal, ob er stärker ist, es kommt auf Ihren Einsatz an, nicht auf den Erfolg.“
Der junge Mann schwieg eine Zeit lang, wirkte nachdenklich. „Ich glaube, ich muss sie anders überzeugen.“
„Schreiben Sie auch?“
„Bei Ihnen hat es doch auch nicht funktioniert, die Frau zu halten.“
„Diese Frau nicht.“
„Ich will nur die eine.“
„Wenn das Schreiben nicht hilft … auch wenn es nicht für die Frauen ist, sondern, um sich selbst nicht zu verlieren …“
„… weiß der Schriftsteller keinen Rat mehr. Sind sie eigentlich momentan glücklich?“
„Ich weiß nicht, ich glaube nicht. Mich hat auch eine Frau enttäuscht.“
„Wie gesagt, die Homosexuellen haben es da vielleicht leichter.“
„Wie alt ist ihre Freundin, wie alt sind Sie?“
„Sie 23, ich 26.“
„Meine Güte und da fällt Ihnen außer Schlagen und Schreiben nichts ein? Sehen Sie mich an. In meinem Alter kann ich mir vielleicht erlauben, mein Schlachtfeld auf den Schreibtisch zu konzentrieren. Aber Sie! Leben Sie! Machen Sie ihr einen Antrag, holen Sie ihr die Sterne vom Himmel, schicken Sie ihr Blumen, schenken Sie ihr eine Reise, machen Sie etwas Verrücktes oder warten Tag und Nacht vor ihrer Wohnungstür! Geben Sie eine Anzeige auf, gestalten Sie ein Plakat in ihrer Strasse, an dem sie jeden Tag vorbei muss.“
„Haben Sie das auch gemacht und trotzdem?“
„Ja früher habe ich das gemacht. Ich habe es gemacht!“
„Und jetzt? Wirklich zu alt, für so etwas? Wenn Sie wollten, könnten Sie.“
Beide blickten sich schweigend an. Zwill spürte eine lange nicht gekannte Energie, er dachte an Debra und wusste plötzlich, dass er sie nicht nur als Romanfigur wollte, er begehrte sie. Der Junge merkte, dass auch er bei dem Alten etwas ins Rollen gebracht hatte. Beide lachten plötzlich lauthals und fielen sich in die Arme. Die Tür ging wieder auf und die junge Frau von vorhin trat verwundert ein. Zwill ging einen Schritt zurück und forderte sie auf, näher zu kommen.
„Hören Sie, wenn Sie ihn nicht lieben, machen Sie einen großen Fehler. Er ist wunderbar!“
Verdattert blickte die junge Frau hin und her.
„Gehen Sie zu ihm, bevor er sich es anders überlegt“, sagte Zwill und eilte hinaus, ohne sich noch einmal umzublicken.
Debras Adresse hatte er schnell ausfindig gemacht. Sie wohnte in der zweiten Etage, Zwill sah Licht und klingelte.
„Was machst du denn hier? Ich hatte doch gesagt, ich ruf an. Kannst du nicht vorher Bescheid sagen? Oh, im Moment passt es mir gar nicht“, und noch einige Varianten malte sich Zwill aus, wie sie ihn empfangen würde.
„Bernd! Was für eine Überraschung!“ Debra hielt in einer Hand ein Handtuch und rieb sich über die nassen Haare, die ihr zum Teil ins Gesicht hingen und ein Auge verdeckten. Mit der anderen Hand schob sie die Haarsträhnen beiseite, als wollte sie sicher sein, wirklich richtig zu sehen. Sie trug ein einfaches T-Shirt und Jeans. „Bernd?“ fragte sie etwas irritiert und kniff dabei prüfend die Augen zusammen, weil Zwill nichts sagte.
Ja richtig, Zwill hatte noch nichts gesagt, alleine, weil ihm zu viele Formulierungen durch den Kopf gingen und er sich nicht entscheiden konnte. Er atmete erst einmal tief durch. „Ich war zufällig bei Bekannten in der Gegend und dachte, ich schau mal vorbei. Wenn es dich nicht stört, meine ich.“
„Entschuldige, aber wie du siehst, habe ich mir gerade die Haare gewaschen. Komm doch rein und setz dich, ich bin gleich fertig.“
Sie lächelte ihn an, als freue sie sich über seinen Besuch. Oder war es lediglich eine Geste der Höflichkeit? Sie bot ihm etwas zu trinken an – er entschied sich für Wasser – und zog sich zum Haaretrocknen zurück.