Aber nicht gleich aufessen!

„Mit der ist das wirklich lustig. Sie kann sich überhaupt keine Namen merken. Sie sitzt dann immer da und sagt: ‚Wie hieß eigentlich dieser Dingens, der in Dingens mitgespielt hat? Na ihr wisst schon, wen ich meine. Wir lachen dann immer total ab.“
„Warum macht sie das dann?“
„Keine Ahnung, sie sollte vielleicht lieber bei einer Bank arbeiten, da muss man sich nur Zahlen merken. Ha, ha, ha!“
Zwill fand Nicoles Lache grässlich, wie überhaupt ihr Auftreten. Er ahnte, dass sie etwas Bestimmtes von ihm wollte, aber sie kam nicht richtig zur Sache, auch die Hoffnung, von ihr Wesentliches über Debra zu erfahren, hatte er schon aufgegeben, als Nicoles Aufmerksamkeit durch einen neuen Gast abgelenkt wurde.
„Das ist er.“
„Wer?“
„Debras ehemaliger Lover, wegen dem sie so down ist.“

Zwill musste seinen Kopf drehen, um einen Jungdynamischen zu beobachten, der an einem Tisch alle Sitzenden auf coole Art begrüßte und dabei von jedem ein joviales Schulterklopfen erntete. Er war ein kräftiger Blonder mit kühlen, flinken Augen.
„Er ist Junior-Producer bei River-Film. Wir hörten schon alle die Hochzeitsglocken bimmeln, da hat er sie im letzten Moment fallen lassen. Schön blöd, nicht wahr?“
Zwill hakte ein wenig nach und erfuhr lediglich noch, dass der Junior womöglich nur auf ein Fremdgehen Debras reagiert hatte. Wenn er an diesen Junior herankam, würde er vielleicht schneller als erwartet, Debras Bild weiterzeichnen können und er hatte schon eine Idee wie er das anstellen könnte.
„Ich muss natürlich mit dem Verlag reden, aber ich wollte selbst einmal die Fühler ausstrecken, welche Produktion für die Verfilmung von ‚Katzenhund‘ in Frage kommt. Und eine gemeinsame Kneipe ist doch schon eine gute Basis.“
Der kühle Blonde namens Leon war im Nu von arroganter Ablehnung auf zuvorkommendes Interesse umgeschwenkt, als Zwill sich als Autor von „Katzenhund“ geoutet hatte. Das mit den Filmrechten lag zwar aufgrund der Vertragslage überhaupt nicht in Zwills Verantwortung, aber sein Vorgehen erreichte seinen Zweck. „Ich habe neulich Debra kennen gelernt. Sie machte einen engagierten Eindruck, wäre sie auch an dem Projekt beteiligt?“
„Debra? Sie ist nicht mehr bei uns, ist jetzt selbständig. Machen Sie Ihr Angebot von Ihr abhängig?“
„Nein, ich weiß zu wenig von ihr, außer, dass sie ein schlechtes Namensgedächtnis hat.“
„Hat sie das? Das weiß ich gar nicht, sie ist im Job jedenfalls total fit.“
„Keine Probleme?“
„Ich wäre wirklich froh, wenn Debra noch bei uns wäre.“
„Waren Sie nicht mal mit ihr liiert?“
„Nein, ich schätze sie wirklich, aber – Nein!“
Vielleicht hatte er da irgendetwas falsch verstanden. Aber das glaubte er nicht. Zwill war es gewohnt, auch alkoholisiert Fakten zu sammeln. Alles, was er über Debra wusste, bzw. nicht wusste, wurde immer nebulöser.

Am nächsten Abend traf er niemanden der Filmleute an, was ihn beunruhigte. Aber Marie erklärte ihm, dass sie nur für die Zeit der Produktion in einem benachbarten Büro ihre Zelte aufgeschlagen hatten. Offensichtlich sei jetzt der Nachdreh auch beendet. Zwill eilte nach Hause, denn möglicherweise könnte Debra ja jetzt anrufen. Er fragte sich, warum er ihr nicht seine Handynummer gegeben hatte. Den Rest des Abends stocherte er auf der Tastatur wie in einem schlecht schmeckenden Essen herum. Ohne Debra kam er nicht weiter.
Am nächsten Abend begab er sich wieder ins Redcliff, nachdem er vorher auf seinem AB die Handynummer hinterlassen hatte – eine Nummer, die er sonst äußerst ungern herausgab. Zu seiner Überraschung wartete bereits Leon auf ihn.

„Hi, Bernd, Sie wieder hier? Legen Sie eine kreative Pause ein? Oder arbeiten Sie tagsüber?“
Zwill fragte sich, woher Leon seine Gewohnheiten kannte.
„Zurzeit überarbeite ich Einiges, das klappt besser am Tag – mit klarem Kopf, Sie verstehen?“
„Ihr Kreativen seid alle gleich. Sagen Sie mal, haben Sie was von Debra gehört?“
„Nein, sie wollte anrufen, wenn der Nachdreh fertig ist. Aber bis jetzt habe ich nichts gehört.“
„Sie ist einfach nicht zu erreichen, hat sich wohl ein paar Tage Urlaub genommen.“
„Urlaub? Davon hat sie gar nichts gesagt.“
„Vielleicht wollte sie nichts von ihrem neuen Lover erzählen. Ihre Kollegin hat so Andeutungen gemacht.“
Zwill schluckte – nicht, weil Debra sich vergnügte, sondern, weil er ohne sie einfach nicht weiter kam.
„Können wir trotzdem über ‚Katzenhund‘ sprechen? Ich meine auch ohne Debra?“
„Natürlich, aber ich hätte sie schon gerne dabei.“
„Mit den Filmrechten gibt es ein kleines Problem.“
Zwill war erstaunt, wie schnell Leon sich kundig gemacht und erfahren hatte, dass die Rechte beim Verlag waren. Er war jedoch nicht sauer, sondern schlug vor, dass sie Zwill als Co-Drehbuchautor anbieten wollten und damit ganz bestimmt in erster Reihe der Rechteerwerber stehen würden.
„Co-Autor?“
„Haben Sie schon mal ein Drehbuch geschrieben?“
„Nein, aber …“

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